• Veröffentlichungsdatum : 28.02.2024
  • – Letztes Update : 26.03.2024

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Psychische Gesundheit

Katharina Reich

Teil 1: Aktuell sind in Österreich etwa ein Fünftel der wehrpflichtigen Männer untauglich, wobei der häufigste Grund dafür psychische Probleme sind. Die Diagnosen für „Psychische und Verhaltensstörungen“ stiegen von 31,5 Prozent im Jahr 2005 auf 56 Prozent im Jahr 2021. Doch weshalb gibt es eine steigende Zahl an psychischen Erkrankungen?

In Bezug auf die psychische Gesundheit zeigt sich, dass die Österreicher immer stärker von psychischen Erkrankung betroffen sind. Dies mag zum einen auf das engmaschigere und dichtere Monitoring im Gesundheitssystem zurückzuführen sein, zum anderen auf die Veränderung der Einstufungscodes – die internationale Klassifikation für Krankheiten, kurz ICD – im Internationalen Kodierungssystem, dass 2022 in neuer Fassung erschien. Da vor der Überarbeitung im Klassifizierungssystem nach Auswertung durch den Arzt früher noch ein gewisser Prozentsatz an „gesunden“ Menschen verblieb, werden heute alle in einer Form als „krank“ deklariert. Wer das nicht weiß, bemerkt in Statistiken nur eine laufende Zunahme von psychischen Erkrankungen.

Hilflosigkeit oder fehlende Disziplin?

Eine weitere Herausforderung ist die steigende Abhängigkeit von Hilfe von „Außen“, anstelle selbst in einen resilienten Zustand durch Sport, Disziplin und Leistung zu gelangen. Es wird vom Staat, genauso wie etwa vom Bundesheer als Arbeitgeber vielmals eine versorgende Funktion verlangt. Beide tragen somit eine „Mutterfunktion“. Doch ein erwachsener Mensch braucht keine Mutter, wie ein kleines Kind. Er sollte so resilient sein, dass er sich „selbst auf die Beine stellen“ kann. Diese Fähigkeit geht immer mehr verloren.

Grundsätzlich gibt es abseits der Klassifizierung einen Handlungsbedarf bei der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen in Österreich. Jedoch ist eine mehr und mehr passive Haltung als Patient die wohl vorherrschende Herangehensweise des Gesundheitssystems. Es ist demnach erforderlich, den einzelnen Bürger, der psychisch angeschlagen ist, frühzeitig wieder in einen gesunden Lebensstil zurückzuführen. Das bedeutet unter anderem einen Zusammenhang zwischen Bildungssystem und Familie, sowie von Psyche und Leistung herzustellen.

Was bedeutet das? Zum einen, eine Hinwendung zu Sport sowie gesunder Ernährung in der Familie und Schule. Denn nach der Stellung kann die ungenützte Zeit des ungesunden Lebensstils zuvor nur schwer aufgeholt werden. Demnach ist die Zuordnung des Militärs als „Ersatzmutter“ oder „Vaterersatz“ – eine Rolle, die es nicht hat und einnehmen kann – vermutlich zu spät. Die Herausforderung besteht demnach bereits in der Familie, den nötigen Platz für eine gesunde Ernährung und Sport zu schaffen. Möglichkeiten zur Verbesserung der psychischen Gesundheit sowohl im Militär als auch in der Gesellschaft sollten in Österreich sowohl betrachtet als auch diskutiert werden.

Umfragen und statistische Fakten

Michael Bauer, der Sprecher des Bundesministeriums für Landesverteidigung veröffentlichte Anfang Februar 2024 bedenkliche Zahlen zum schlechter werdenden Gesundheitszustand der jungen Österreicher mit etwa 18 Jahren. Darin stellte er dar, dass die Ursache der Untauglichkeit im Jahr 2013 zu 38 Prozent psychische Störungen waren und zu 62 Prozent körperliche Einschränkungen. Im Jahr 2022 waren 57 Prozent wegen psychischen Störungen und 43 Prozent wegen körperliche Einschränkungen untauglich. Die Fitness nahm also zu, die seelische Stabilität jedoch deutlich ab. Woran könnte das liegen?

Überlagert man zwei der in diesem Zusammenhang gezeigten Grafiken miteinander zu einer dritten, zeigt sich eine interessante Entwicklung: Zum einen nimmt die Körpergröße seit dem Beginn der statistischen Messungen, leicht zu. Waren im Jahr 1990 die 18-jährigen noch im Durchschnitt 177,5 cm groß, so haben die jungen Männer im Jahr 2022 durchschnittlich eine Körpergröße von 178,5 cm, was eine Zunahme von einem Zentimeter ist. Die Größenveränderung kann auf den zunehmenden Wohlstand zurückgeführt werden. Wie hängt das zusammen?

Ökonomische Ungleichheit der Körpergröße laut Forschung

Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2006 zeigen, dass die menschliche Körpergröße als Indikator für ökonomische Ungleichheit herangezogen werden kann. Die Körpergröße entsteht zum einen durch das elterliche Erbgut, zum anderen durch die Lebensbedingungen. In Europa sind seit etwa 150 Jahren die hygienischen Bedingungen, medizinische Versorgung, Sozialsystem und Bildungswesen stark verbessert worden. Aus diesem gestiegenen „biologischen Lebensstandard“ resultierte, so eine Studie des Wirtschaftswissenschaftler John Komlos an der Universität München, ein erhöhtes Längenwachstum.

Historisch betrachtet haben die häufigen Missernten, die in der „kleinen Eiszeit“" zwischen 1550 und 1850 zu vermerken waren, das Längenwachstum negativ beeinflusst. Während im 17. Jahrhundert ein französischer Mann durchschnittlich 162 cm groß war, misst ein Deutscher heutzutage 180 cm. So viel zur Größe und ihrer Bedeutung als Indikator für Wohlergehen. Doch was hat es mit der Fitness auf sich?

Der zunehmende Wohlstand führt zu einer Verschiebung, und zwar zwischen finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen und dem Konsumverhalten. Wurde körperliche Leistung früher nicht als konsumierbarer Faktor betrachtet, wurde sie infolge der Industrialisierung zur Ware, der sogenannten Dienstleistung. Zum anderen führte die Verbesserung der hygienischen Zustände zu einer höheren „Aufpeppelungrate“ bei Kindern, die in der früheren, sehr harten Lebens- und Arbeitsumgebung eine hohe Sterblichkeitsrate hatten. Das ist ein gesellschaftlicher Erfolg.

Handlungsfähigkeit und Ohnmacht

Das Gefühl von Macht und Ohnmacht spielt in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. Wer sich nur wenig handlungsfähig fühlt, ist geneigt, dieses Gefühl in irgendeiner Form zu unterdrücken oder wegzuschieben. Der Volksmund benennt diese Unfähigkeit zum Handeln auch als „inneren Schweinehund“. Die Kompensation erfolgt nicht selten durch Mittel, die die Gesundheit gefährden. Beispiele dazu sind: der Genuss von legalen und illegalen Substanzen, die von Alkohol bis zu Betäubungsmitteln reichen, oder die Belohnung durch Essen. Allesamt Dinge, die vielleicht kurzfristig für Glücksgefühle sorgen, langfristig aber schwere Schäden verursachen.

Wenn sich nun Menschen vermehrt ungesund ernähren und, in Statistiken nachgewiesen, immer mehr verbotene und/oder anderwärtig problematische Substanzen konsumieren, kann dies als Indikator für die Betäubung einer Ohnmacht verstanden werden. Denn all diesen „Konsumgewohnheiten“ ist gemein, dass die Resilienz in der einen oder anderen Facette fehlt. Womit hängt dies zusammen?

Mag. Katharina Reich ist Privatdozentin zu sicherheitsrelevanten Infrastrukturen, Ökonomie und komplexem Denken an diversen Universitäten und Fachhochschulen.

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