• Veröffentlichungsdatum : 13.04.2016
  • – Letztes Update : 24.05.2016

  • 3 Min -
  • 554 Wörter

Nuklearterrorismus

Erwin Richter

Interview mit Nuklearforscher Helmuth Böck

Madrid 2004 - London 2005 - Paris 2015 - Brüssel 2016:

Der Terrorismus ist in Europa angekommen. Für zusätzliche Beunruhigung sorgt die Tatsache, dass im Rahmen der Brüsseler Attentate möglicherweise auch Anschläge auf Kernkraftwerke geplant waren. In Europa befinden sich etwa 100 Kernkraftwerke und eine Vielzahl von Anlagen, die mit radioaktiven Stoffen arbeiten. Angriffe auf derartige Objekte stellen jedoch nicht die einzige Form des Nuklearterrorismus dar.

Nuklearterrorismus ist eine Form des Terrorismus, bei dem radioaktives Material zur Anwendung gebracht wird. Es lassen sich folgende drei Formen des Nuklearterrorismus unterscheiden:

  1. Die Freisetzung radioaktiver Stoffe infolge einer Kettenreaktion (Zündung eines nuklearen Sprengsatzes) mit einer erworbenen, einer gestohlenen oder einer selbstgebauten Atombombe;
  2. Die Freisetzung radioaktiver Stoffe ohne einer Kettenreaktion (Umweltkontamination) mit einem konventionellen Sprengsatz („Schmutzige Bombe“) oder ohne Sprengsatz unter Nutzung von Verteilersystemen;
  3. Die Freisetzung radioaktiver Stoffe nach einem Anschlag auf eine Nuklearanlage.

Schmutzige Bombe

Bislang hat es noch keinen einzigen Fall einer funktionsfähigen Atombombe in den Händen von Terroristen. Die Möglichkeiten, in den Besitz einer Atombombe zu gelangen, dürften die Kapazitäten einer terroristischen Gruppierung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überschreiten. Nach Einschätzungen von Experten wäre dies ein extrem unwahrscheinliches Szenario, kann aber für die Zukunft nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Auch die bloße Verteilung radioaktiver Substanzen würde den Aufwand im Vergleich zum erzielten Effekt nicht rechtfertigen.

Anschläge auf Kernanlagen erfordern die Überwindung zahlreicher Hürden und setzen Kenntnisse und Fertigkeiten voraus, die Terroristen derzeit gemeinhin nicht besitzen dürften. Bei aller Vorsicht in der Einschätzung ist der Einsatz einer „Schmutzigen Bombe“ (Dirty Bomb) aufgrund der Erfolgsaussichten jenes Szenario mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit. Die Herstellung einer Dirty Bomb ist im Vergleich zu einer Atombombe relativ einfach: man benötigt nur konventionellen Sprengstoff und radioaktives Material. Es kann angenommen werden, dass die Beschaffung von Sprengstoff kein Problem für Terroristen darstellt. Fraglich ist lediglich der Zugang zu radioaktivem Material, welches sich auch für die Herstellung einer Schmutzigen Bombe eignen würde. Diese Tatsache reduziert die Wahrscheinlichkeit einer terroristischen Anwendung drastisch.

Wirkung

Die augenscheinlichste Wirkung einer Schmutzigen Bombe ist die konventionelle Explosion. In ihrer unmittelbarer Nähe äußert sich die Druck- und Hitzewirkung durch unmittelbare Zerstörungen der Infrastruktur sowie Tötung und Verletzung von Personen und Tieren. Diese Wirkungen sind abhängig von Menge und Art des Sprengstoffes sowie von der Bauart der Bombe. Die Explosionswirkung ist auch der Hauptgrund für die gewünschte mediale Resonanz. Die maximale Kontaminationswirkung ist in unmittelbarer Explosionsnähe zu erwarten, wobei fraglich ist, ob hier überhaupt eine derartige Kontamination erzielt werden kann, dass daraus akute Strahlenschäden resultieren können. Außerhalb der Explosionszone wäre die Strahlenbelastung deutlich geringer, wenn nicht sogar vernachlässigbar. Selbst in unmittelbarer Nähe zum Freisetzungsort wäre für den Großteil der Bevölkerung aus radiologischer Sicht keine akute Gesundheitsgefährdung zu erwarten. Die durch die Detonation einer Schmutzigen Bombe verursachten psychischen Effekte (Angst, Panik etc.) und damit verbundene ökonomische Folgen sind eindeutig die im Vordergrund stehenden Wirkungen.

Im Allgemeinen sind nuklearterroristische Akte in Österreich als wenig wahrscheinlich aber nicht als unmöglich einzuschätzen. Unbegründeten Horrorszenarien (z. B. der terroristischen Atombombe) kann hier eine Absage erteilt werden. Dies nimmt Staaten allerdings nicht aus der Pflicht, die jeweilig aktuelle Sicherheitslage zu beurteilen und Vorkehrungen sowohl zur Verhinderung nuklearterroristischer Anschläge als auch zum Schutz von Bevölkerung und Umwelt zu treffen.

Oberstleutnant Erwin Richter, MA, ist Leiter Weiterentwicklung & höhere Fachausbildung an der ABC-Abwehrschule.

Eine ausführliche Darstellung zu diesem Thema wird in Kürze bei TRUPPENDIENST erscheinen.

ABC-Abwehrschule

 

Ihre Meinung

Meinungen (0)