• Veröffentlichungsdatum : 08.03.2018
  • – Letztes Update : 09.03.2018

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Mit Karte und Kompass

Gerold Keusch

Der Orientierungslauf ist ein Sport für Körper und Geist. Mit Karte und Kompass gilt es, Punkte (sogenannte „Posten“) im Gelände anzulaufen und diese Strecke nach eigenem Ermessen, meist „querfeldein“ durch den Wald, möglichst rasch zurückzulegen. Richtiges Planen und Entscheiden, Kondition und Geschicklichkeit sind für den Erfolg in dieser Disziplin entscheidend. 

Ein weiterer wesentlicher Aspekt, der in dieser Sportart über Sieg und Niederlage entscheidet, ist die Erfahrung und die Übung beim Orientieren im Gelände. Diese muss jeder Mensch - und auch jeder Sportler - zwar grundsätzlich selbst machen, dennoch ist es hilfreich von Erfahrungen anderer zu profitieren. Oberst des Intendanzdienstes Rudolf Sturmlechner, MSD MSc ist ein erfahrener Orientierungsläufer. Im Gespräch mit TRUPPENDIENST erzählt er von seiner sportlichen Laufbahn und gibt Tipps wie das Training und der Wettkampf gelingen können.

Wahlsport an der Militärakademie

Der Weg zum Orientierungslauf (OL) ist für Rudolf Sturmlechner eng mit seinem beruflichen Werdegang im Österreichischen Bundesheer verbunden. Als er im Jahr 1977 als Fähnrich an die Theresianische Militärakademie (TherMilAk) kam, wählte er den OL als Wahlsport. „Der Grund warum ich den Orientierungslauf gewählt habe war, dass ich mir die Frage gestellt habe: Was braucht der Soldat, wenn er kampfkräftig sein will?“  Die Antwort fand er in den beiden militärischen Grundfertigkeiten Kondition und Orientierung. Ein weiterer Grund war Sturmlechners Interesse an Geografie. „Beinahe jedes Jahr erhielt ich einen Atlas als Weihnachtsgeschenk und habe mich viele Stunden damit beschäftigt.“

Der Trainer von Rudolf Sturmlechner an der Militärakademie war ein erfahrener Orientierungsläufer: Leutnant Wilfried Boubela vom Jägerbataillon 19 aus Pinkafeld. Er war Heeres- und Staatsmeister und brachte dem jungen Fähnrich in seinen zwei Jahren an der Militärakademie in Wiener Neustadt den Orientierungslauf bei. Schon damals wurde ihm bewusst, dass es zwei Dinge braucht, um als Anfänger in diesem Sport gute Leistungen zu erbringen: Übung, die die Voraussetzungen schafft, und einen Trainer, der es versteht besondere Fähigkeiten zu vermitteln. „Wir trainierten sehr abwechslungsreich mit verschiedenen OL-Karten: beispielsweise nur mit Höhenschichtlinien, ohne Höhenschichtlinien, ohne Wegenetz oder in anderen Variationen.“

Platz auf dem Stockerl

Mit dieser Trainingsstrategie stand Sturmlechner bereits im zweiten Jahr an der Militärakademie das erste Mal auf dem „Stockerl“. Von Lauf zu Lauf und von Jahr zu Jahr - mittlerweile sind es bereits 40 Jahre - entwickelte er seine Fertigkeiten in diesem Sport weiter. 23 Mal nahm er an den Brigademeisterschaften der ehemaligen 3. Panzergrenadierbrigade teil (sieben Mal davon wurde er Brigademeister). 19 Mal stand er bei Heeresmeisterschaften am Start, und bei 38 Militärkommando-Bereichsmeisterschaften in Niederösterreich und Wien findet sich sein Name auf der Startliste.

Es blieb aber nicht bei den Einträgen in die Startlisten: „Mein größter Erfolg war der Titel des Niederösterreichischen Militärmeisters, den ich 1986 in der Allgemeinen Klasse und 2003 in der Seniorenklasse erringen konnte.“  Darüber hinaus war "Sturmi", wie er von seinen (Sport)freunden und Kameraden genannt wird, 1994 und 1997 Militärkommando-Bereichsvizemeister und oftmaliger Sieger seiner Altersklasse, zuletzt im Jahr 2017. Auch bei Heeresmeisterschaften war er häufig im vorderen Feld zu finden. Der ganz große Erfolg, der Sieg und Titel des Heeresmeisters, blieb ihm jedoch verwehrt, was seine Begeisterung für den OL jedoch nicht schmälerte. Das bronzene OL-Leistungsabzeichen erreichte Sturmlechner als Leutnant im Jahre 1982, das silberne als Oberst im Jahre 2008.

Aber auch ein erfahrener Orientierungsläufer ist nicht davor gefeit Fehler zu machen. „Beim zweiten Lauf der Bereichsmeisterschaft Wien 2013 lief ich vom Punkt 3 zum Punkt 4. Auf der Karte sah das einfach aus, darum habe ich die Postenbeschreibung nicht gelesen und den Kompass nicht eingestellt. Ich fand den Posten und lief weiter.“  Als Sturmlechner im Ziel angekommen war, hörte er, dass er disqualifiziert sei. „Ich war beim falschen Posten. Der Richtige stand etwa hundert Meter davon entfernt.“  Aus diesem Grund ist es wichtig, jeden Posten nicht nur auf der Karte, sondern vor Ort zu überprüfen. Deshalb hat jeder Posten eine Kontrollnummer, die ebenfalls auf der OL-Karte steht. 

Tipps für Orientierungsläufer

Sturmlechner ist nicht nur aktiver Sportler, sondern auch Bahnleger für Orientierungsläufe. Den Kurs, mit dem er diese Qualifikation erlangte, absolvierte er 1986 an der damaligen Heeressport- und Nahkampfschule (HSNS). Der Oberst des Intendanzdienstes kann auf eine erfüllte Sportkarriere zurückblicken: „Insgesamt werden es wohl 250 Wettkampfläufe gewesen sein, an denen ich teilnahm. Daneben gab es noch zahlreiche Trainings- und OL-Cup-Läufe in Wien und Niederösterreich.“  Diese Karriere neigt sich jedoch dem Ende zu. „Die Beine sind nicht mehr neu und etwas abgenützt. Konkret habe ich Probleme mit dem Meniskus und mit der Achillessehne.“ Somit ist für den erfahrenen Sportler die Zeit gekommen, um sein Wissen weiterzugeben und den Nachwuchs von seinen Erfahrungen profitieren zu lassen.

Die beiden Eckpfeiler des OL sind das Laufen und das Orientierungsvermögen. „Ich habe immer eine ÖMK als OL-Karte bei mir, auch wenn ich spazieren gehe. Unterwegs vergleiche ich die Karte mit dem Gelände und achte auf Höhenformen und andere Merkmale. So konnte ich ein gutes Gespür für den Karten- und Geländevergleich entwickeln, was für mich die wichtigste Voraussetzung für das Orientieren ist.“  Umso besser ein Läufer die Karte und die Kartenzeichen kennt und diese auch im Gelände erkennen kann, desto einfacher fällt es ihm, sich rasch und richtig zu orientieren. Dazu ist grundsätzlich jede Karte geeignet, wobei Sturmlechner die Österreichische Militärkarte (ÖMK 1:50.000 und deren Vergrößerung auf 1:25.000) bzw. die zivile Ausgabe, die ÖK, die auch im Internet verfügbar ist (www.austrianmap.at), empfiehlt. OL-Spezialkarten verfügen üblicherweise über einen Maßstab von 1:7.500, 1:10.000 oder 1:15.000 und verwenden andere Kartenzeichen und Farben.

So gelingt der Wettkampf

Neben den bereits angeführten allgemeinen Tipps zum Orientieren weiß Sturmlechner genau, worauf es bei einem Wettkampftag ankommt und was zu beachten ist. Dabei spielt nicht nur der Lauf selbst, sondern auch die Vorbereitung eine wesentliche Rolle.

Ausrüstung

Um an einem OL teilzunehmen, benötigt ein Anfänger lediglich einen Sportanzug und geländetaugliche Laufschuhe. Wer diesen Sport ambitionierter verfolgen möchte, sollte sich folgendes Equipment zulegen, das in Spezialgeschäften zu erwerben ist:

  • OL-Schuhe mit oder ohne Spikes, die niedrig oder hoch sein können. Die Spikes erhöhen die Haftung auf hartem Erdboden oder bei nassen Ästen, hohe Schuhe verhindern das Umkippen;
  • OL-Anzug, der aus einer langen Hose und einem langen Leibchen aus dünnem Material besteht und vor Dornen, Brennnesseln etc. schützt;
  • OL-Kompass;
  • OL-Gamaschen oder OL-Socken.

Vorinformation lesen

Einige Tage vor dem Bewerb erhält jeder Läufer grobe Informationen wie die Länge des Laufes oder die Höhenmeter, die bei dem jeweiligen Wettkampf zu absolvieren sind. Das ist insofern von Bedeutung, da man sich die Kräfte einteilen sollte, vor allem bei langen Läufen und/oder vielen Höhenmetern. Deshalb ist es wichtig, seine körperliche Leistungsfähigkeit zu kennen und zu wissen, welches Tempo man im Gelände wie lange laufen kann und dennoch so fit ist, um die Karte lesen und orientieren zu können.

Vorbereitung im Startgelände

Nach dem Eintreffen im Startgelände erfolgt die Anmeldung im Wettkampfbüro, wo man die Startnummer und die Startzeit erhält. Hilfreich ist eine eigene private Karte von dem Gebiet, in dem der Bewerb stattfindet, um sich auf den Lauf bzw. die Umgebung einstellen zu können. Wenn das abgeschlossen ist, bereitet man sich mental auf den OL vor. Eine Möglichkeit, um das zu tun, ist das Groborientieren im Startgelände, bei dem man die Karte und das Gelände vergleicht und sich den Bereich, in dem der Wettkampf stattfindet, ansieht und einprägt. Danach geht man zum Vorstart und zum Start, wo die eigentliche OL-Karte mit den eingezeichneten Posten ausgegeben wird; dann beginnt der Lauf als Einzelstarter.

Routenwahl

Das Wichtigste für einen Orientierungsläufer ist es immer genau zu wissen, wo er sich befindet. Der Kompass muss deshalb immer mit der Marschzahl eingestellt sein, um die Richtung halten zu können. Man sollte auf markante Punkte im Gelände achten, die auch als Zwischenziele dienen können. Je näher man dem Posten kommt, desto genauer muss man orientieren. Ein Läufer sollte speziell auf die Geländeformen schauen und darauf achten, wo es bergab oder bergauf geht bzw. wo ein Graben oder Hügel ist. Wege und Pfade sollten benützt werden, da man darauf schneller vorankommt als im Gelände, wo man leicht im Unterholz oder in Dornen stecken bleiben kann.

Geländeformen ausnutzen

Auf das Wegenetz kann sich ein Orientierungsläufer nur bedingt verlassen. Schneisen und Wege im Wald können leicht verwechselt werden oder verwachsen sein. Die Karte kann veraltet sein, weil ein Wald geschlägert oder eine Straße verlegt wurde; oftmals entstehen neue Wege durch Holzschlägerungsarbeiten und Traktoren. Die Geländeformen ändern sich nicht, weshalb sie zum Orientieren besser geeignet sind, obwohl sie auf der Karte unter Umständen schwer zu erkennen sind.

Entfernung messen und Schritte zählen

Dazu wird der Weg auf der Karte in Zentimeter bzw. Millimeter gemessen und dann an Hand des Maßstabes - z. B. 1:25.000 - in Meter umgerechnet. Für die Messung der Entfernung muss man kein Lineal haben, hier reicht eine halbwegs genaue Schätzung. Diese Entfernung wird dann in Schritte bzw. in Zeit umgerechnet. Dazu bieten sich Doppelschritte an, bei denen man zählt, wenn der rechte oder linke Fuß am Boden aufkommt. Wenn ein Läufer weiß, wie viele Doppelschritte er für 100 m im Gelände benötigt, kann er während des Wettbewerbes auf die Entfernung schließen. 100 m sind etwa 45 bis 50 Doppelschritte, das sollte aber jeder Läufer individuell im Gelände überprüfen.

Zwischenziele und Auffanglinien festlegen

Diese bieten die Möglichkeit sich neu zu orientieren und zu kontrollieren, ob man am richtigen Pfad ist. Das ist vor allem bei Posten wichtig, die weiter entfernt sind. Dort kann man auch den Kompass neu stellen, wenn man eine Route gewählt hat, die nicht direkt zum nächsten Punkt verläuft. Dennoch sollte man einen ständigen Karten- und Geländevergleich durchführen und immer wissen, wo man sich befindet.

Verhalten am Posten

Je näher ein Läufer dem Posten kommt, desto genauer sollte er orientieren. Auch wenn man einen Posten ab einer Entfernung von 50 m erkennen soll, wird er im Gelände häufig übersehen. Die Postenbeschreibung mit Kontrollnummer und Feld für die Markierzange - falls keine Chipmessung erfolgt - sollte griffbereit sein, um rasch mit der Zange beim Posten in das richtige Feld zu zwicken. Die Richtung zum nächsten Posten sollte man da bereits kennen - sowohl in der Karte, als auch am Kompass und im Gelände.

Auf einen Blick

Der Orientierungslauf ist eine typisch militärische Sportart. Rasch und auf dem richtigen Weg an ein Ziel zu gelangen, Entscheidungen treffen und diese umsetzen, ein ständiger Soll-/Ist-Vergleich und der Mut, sich mit anderen in einem Wettkampf zu messen, sind Eigenschaften, die nicht nur für Kommandanten sondern für alle Soldaten wichtig sind. Diese tragen nicht nur dazu bei, um als Soldat im Feld seine Aufträge zu erfüllen, sie helfen um in allen Bereichen des militärischen Lebens zu bestehen.

Das weiß auch Oberst Rudolf Sturmlechner, der nach vielen Jahren in seiner militärischen Heimat Mautern in die Quartiermeisterabteilung des Bundesministeriums für Landesverteidigung wechselte. Dort hat er fordernde und komplexe Planungsaufgaben und anspruchsvolle Aufträge zu erfüllen. Ein Beispiel dafür ist die Unterstützung des Transportes von US-Truppen zur „Saber Guardian 2017“ durch Österreich (siehe TD-Heft 4/2017; Link). Hier musste „Sturmi“ nicht nur einen Weg finden, um seine Aufgaben erfüllen zu können, sondern vielen österreichischen und amerikanischen Kameraden „den Weg zeigen“.

Offiziersstellvertreter Gerold Keusch ist Redakteur beim Truppendienst.

Nähere Informationen zum Orientierungslauf gibt es in der DVBH KA, Teil IV, Abschnitt M und im DBBH Orientierungslauf, sowie bei den OL-Sektionen der Heeressportvereine und beim Fachverband für Orientierungslauf „ÖFOL“ (www.oefol.at).
 

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