• Veröffentlichungsdatum : 10.04.2018
  • – Letztes Update : 17.04.2018

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Humanitäre Minenräumer

Sascha Harold

Seit 2017 sind beim Österreichischen Bundesheer drei Minenräumfahrzeuge in Erprobung. Bei den Geräten handelt es sich um international bereits erfolgreich eingesetzte Systeme. Die Erprobung findet am Truppenübungsplatz Allentsteig statt und soll bis Ende 2018 abgeschlossen sein.  

Die Minenräumfahrzeuge des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH) sind für das sogenannte humanitäre Minenräumen genormt. Dieses zielt auf die Beseitigung von Landminen, Blindgängern und Kampfmittelrückständen in Wohngebieten ab. Sie ermöglicht der ansässigen Bevölkerung nach Konflikten und Kriegen ein normales, gefahrenloses Leben und ein Nutzen der Wohn- und Landwirtschaftsflächen der betroffenen Zonen. Das ÖBH verfügt derzeit über drei verschiedene Minenräumfahrzeuge: die beiden kroatischen Systeme MV-10, MV-4 und das dänische System „Hydrema“.

Mensch und Maschine

Am Nationalfeiertag 2017 wurde das Minenfahrzeug „Hydrema“ erstmals einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Es handelt sich dabei um ein Minenräumfahrzeug, das beim ÖBH bisher nicht im Einsatz war. Bei den zwei angeschafften Fahrzeugen befindet man sich derzeit in der Ausbildungsphase. Dabei wird das Gerät erprobt, da die Versorgungs- und Verwendungsreife vor realen Einsätzen gewährleistet sein muss. Während dieser Phase ist es wichtig, sich international zu vernetzen und Erfahrungen mit Armeen auszutauschen, die das Fahrzeug bereits verwenden. Stationiert sind die neuen Hydrema-Minenräumfahrzeuge, wie das gesamte Minenräumgerät, in Allentsteig.

Das Minenfahrzeug „Hydrema“ kann Anti-Personen- und Panzerminen bis zu einer Minenklasse von zehn Kilo räumen. Die Fahrgastzelle hat eine Minenschutzklasse von zehn Kilo. Das bedeutet, dass die Besatzung bei einer Detonation von maximal zehn Kilo Explosivstoffmasse unter dem Vorderrad geschützt ist. Das Fahrzeug schafft bei der Räumung eine Minensicherheit von 80 Prozent. Das heißt, dass 80 Prozent der Minen damit beseitigt werden können. Ergänzt durch händische Minenbeseitigung kann ein minenbelastetes Gebiet nach dem Einsatz zu 99,8 Prozent minenfrei übergeben werden.

Im Gegensatz zu anderen Geräten wird beim Einsatz ein Erdwall zwischen dem Flailsystem (das Raumwerkzeug mit den Schlegeln) und dem Deflektorschuld aufgetürmt. Hämmer, die an Ketten am Schlegel befestigt sind, schlagen auf den Boden und lösen dabei Minen entweder aus, oder zerstören sie. Der aufgehäufte Erdwall dient dabei als Schutz. Ein Nebeneffekt ist, dass das Erdreich bei dieser Funktionsweise nicht zerstört wird und nach der erfolgreichen Räumung landwirtschaftlich genutzt werden kann. Der Hersteller gibt an, dass von zehn Minen neun zerstört werden und nur eine detoniert. Weil im Falle einer Zerstörung von den Einzelteilen der Minen noch immer eine Gefahr ausgehen kann, ist es notwendig, das Gerät in Kombination mit Minensuchern und Kampfmittelräumern einzusetzen. Die Maschine macht die manuelle Arbeit somit nicht obsolet, erleichtert sie aber deutlich.

20 Tonnen Kampfgewicht

Voll beladen hat das Minenfahrzeug ein „Kampfgewicht“ von etwa 20 Tonnen. Dabei ist der 200 Liter Wassertank mit Hochdruckreiniger, der am Fahrzeug verbaut ist, bereits eingerechnet. Geräumt wird auf einer Breite von drei Metern, bei einer maximalen Tiefe von 40 Zentimetern. Die angesprochenen Hämmer gibt es in zwei Varianten: Einmal als Minenräumhämmer und einmal als spezielle Vegetationshämmer. Grundsätzlich sind beide auf der „Welle“ montiert, weil im Einsatz sowohl die Vegetation als auch die Minen beseitigt werden müssen.

Eine Besonderheit ist die Motorisierung des Fahrzeuges. Es ist mit zwei Motoren ausgestattet, die unabhängig voneinander arbeiten. Einer ist nur für die Hydraulik des Räumwerkes zuständig, der zweite für die Fortbewegung des Fahrzeuges. Im Schadensfall, wenn einer der Motoren ausfällt, kann der andere dessen Funktion übernehmen und das Fahrzeug aus dem Gefahrenbereich manövriert werden. Die Räumleistung des Hydrema-Minenfahrzeuges beträgt 2.000 m² in der Stunde. Während es auf der Straße mit bis zu 38 km/h unterwegs ist, fährt es im Räumeinsatz etwa 3 bis 7 km/h. Wie rasch geräumt werden kann, hängt von der Bodenbeschaffenheit, der Räumtiefe und der Art der Minen ab. 

Wartungsintensive Neuanschaffung

Der Wartungsaufwand des Fahrzeuges ist vergleichbar mit dem einer Baumaschine. Eine tägliche Wartung vor dem Betrieb nimmt etwa zehn Minuten in Anspruch. Dabei werden unter anderem Öle, Flüssigkeiten etc. überprüft. Nach 50, 100 und 200 Stunden müssen Wartungen mit einem Mechaniker durchgeführt werden. Ein kompletter Ersatzteilsatz wird am Gerät mitgeführt, sodass der Bediener gemeinsam mit dem Mechaniker die Wartung sogar direkt im Feld machen kann. Die 1000-Stunden-Wartung muss dagegen in einer Werkstatt durchgeführt werden. Die maximale Einsatzdauer im realen Umfeld beträgt etwa sechs Stunden.

Die beiden Hydrema-Minenräumfahrzeuge sind den Pionierbataillonen 1 und 2 zugeordnet, die Ausbildung findet in Allentsteig statt. Im Zuge der Ausbildung verlegen die Bataillone vier bis sechs Wochen mit der gesamten Ausrüstung auf den Truppenübungsplatz und trainieren dort den Einsatz unter möglichst realen Bedingungen. Für Auslandseinsätze mit dem Fahrzeug gibt es zurzeit keine konkreten Pläne. 

Ferngesteuert und auf Ketten

Neben dem „Hydrema“ wurden auch zwei weitere Minenräumfahrzeuge beim Österreichischen Bundesheer angeschafft: das mittelgroße MV-10 und das kleinere MV-4. Diese kroatischen Geräte vom Hersteller DOK-ING verfügen im Gegensatz zum „Hydrema“, das bereift ist, über Ketten und eine Fernsteuerung. Diese Faktoren machen ein Räumen in Fahrtrichtung möglich. Alle Systeme funktionieren nach demselben Prinzip: An einer Kette befinden sich Schlegel mit denen das Gelände geräumt wird. Bei großen Gebieten bzw. Panzerminenfeldern kommt das „Hydrema“ zum Einsatz, der MV-10 wird zur Räumung von gemischten Panzer- bzw. Schützenminenfeldern eingesetzt, der MV-5 für Schützenminenfelder. 

Verschiedene Räumverfahren

Bei der Erprobung der Minenräumfahrzeuge durch das ÖBH werden unterschiedliche Methoden zur Räumung von Landminen angewendet: Das Snailhouse-System, das Sidestep-Verfahren sowie das U-Turn-Verfahren. Beim Snailhouse-System (Schneckenhaus-Verfahren) wird von außen im Kreis nach innen geräumt. Beim Sidestep-Verfahren wird eine „Lane“ (Fahrbahn) geräumt, anschließend eine weitere parallel daneben. Dieses Verfahren erfordert jedoch eine bereits geräumte, sichere Zone zum Wenden. Beim U-Turn-System wird innerhalb der bereits geräumten Fahrbahn gewendet und zurückgesetzt. Dies ist notwendig wenn keine bereits geräumte, sichere Zone zum Wenden vorhanden ist. Dadurch ist das Verfahren zeitintensiver aber sicherer. Die Verfahren werden auf ihre Wirtschaftlichkeit, das heißt wie vermintes Gelände unter Berücksichtigung des eingesetzten Räumfahrzeugs am effektivsten geräumt werden kann, und Sicherheit geprüft.

Fazit

Mit dem Minenräumfahrzeug „Hydrema“ verfügt das ÖBH über ein Gerät, das vor allem für den Einsatz in großen, und mit Panzerminen belasteten Arealen geeignet ist. In Ergänzung mit den ferngesteuerten Räumfahrzeugen MV-10 und MV-4 und den Minensuchern ist das Bundesheer für unterschiedliche Anforderungen in diesem Bereich vorbereitet. Das gilt sowohl für die Größe eines Gebietes, das zu räumen ist als auch der unterschiedlichen Minenarten (Panzer- bzw. Schützenminen).

Sascha Harold ist Redakteur beim TRUPPENDIENST.

 

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