• Veröffentlichungsdatum : 12.09.2019
  • – Letztes Update : 10.10.2019

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Führen mit Bildern im Kopf

Karl Testor

Über 1.500 Besucher sahen bei der diesjährigen Lehrvorführung der Theresianischen Militärakademie auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig die Wirkung unterschiedlicher Waffen und deren Munition. Ob Fliegerabwehrkanone, Schützenpanzer „Ulan“, Transporthubschrauber „Black Hawk“ oder Kampfpanzer „Leopard“ 2A4 - sämtliche Waffensysteme des Österreichischen Bundesheeres wurden hautnah präsentiert. An der Vorführung waren insgesamt 185 Soldaten, 19 gepanzerte Kampffahrzeuge und neun Luftfahrzeuge beteiligt.

Aktive Luftraumüberwachung – ein Eurofighter fängt ein Flugzeug ab. Zugriff auf ein Haus – unterstützt durch schwere Waffen. Medizinische Evakuierung von Verwundeten – unter gleichzeitiger Luftnahunterstützung. Soldaten, bei denen Beschreibungen wie diese bislang kein „Kopfkino“ erzeugten, wurden die dazugehörigen Bilder bei der Lehrvorführung der Theresianischen Militärakademie nachgeliefert. Auf der Schießbahn Kühbach zeigten die Streitkräfte, wie die Waffensysteme des Österreichischen Bundesheeres im scharfen Schuss funktionieren. Militärische Führungsfähigkeit lebt vom Wissen und der Erfahrung der Kommandanten. Entsprechende Bilder im Kopf zu haben, ist dabei eine wichtige Grundlage.

Highlights der Vorführung

Die Besonderheit der seit 2015 jährlich durchgeführten Vorführung ist der Einsatz sämtlicher Waffensysteme des Bundesheeres. Neben den bereits erwähnten Kampf- und Schützenpanzern wurden das Steilfeuer der Panzer-haubitze M-109 sowie des schweren Granatwerfers vorgeführt. „Boah, die rumst ganz schön!“, war der flapsige Kommentar eines Grundwehrdieners, der Funktionssoldat und Gehilfe der Kaderanwärter-ausbildung ist, als eine Granate durch das Stahlrohr eines Geschützes schoss.

Auch das Abfangen eines Flugzeuges durch einen Eurofighter brachte das Publikum vor Ort zum Staunen. Der Wendekreis des Abfangjägers von ein paar hundert Metern erscheint in der Realität so klein wie ein kreisendes Handgelenk. Im Direktflug und mit einer Geschwindigkeit von mehreren hundert Stunden-kilometern positioniert sich der Jet unmittelbar hinter dem abzufangenden Flugzeug. Dieses „ergibt“ sich nach der Machtdemonstration und folgt dem Eurofighter. Für besonderes Aufsehen bei den Kaderanwärtern sorgte die Sprengung eines Minenriegels durch 50 kg Sprengstoff. Die Zuschauer erlebten, neben einem lauten Knall und einem hellen Lichtblitz, die starke Druckwelle einer derartigen Explosion, die nur real und in keinem noch so gut gemachtem Film spürbar ist.

Lehrreiches Erlebnis ohne verzerrte Bilder

„Das war für mich das erste Mal, dass ich überhaupt einen Kampfpanzer gesehen habe! Und dann gleich, wie er schießt! Es war unglaublich beeindruckend!“, beschrieb Kaderanwärter Korporal Martin E. das Erlebte. So wie dem Korporal ging es vielen der Zuseher – Kaderanwärter oder Militärakademiker, die sich derzeit in der Ausbildung befinden. Für den Kadernachwuchs ist die Darstellung der Waffensysteme des ÖBH wesentlich. Die meisten erlebten bei der Vorführung das erste Mal, wie lange zum Beispiel eine Stahlbetonmauer dem Beschuss der 3-cm-Maschinenkanone eines „Ulan“ standhalten kann. Dabei beobachteten und lernten sie: Bereits nach wenigen Treffern bricht die Konstruktion zusammen. Von dieser rohen Gewalt war auch Zugsführer Joachim Z. beeindruckt: „Das hätte ich nie geglaubt. Ich dachte immer, eine Mauer hält mehr aus.“

So wie Z. kennen viele der Anwesenden die Wirkung von Waffen nur aus US-amerikanischen Filmen, in denen Hollywood stets tief in die Trickkiste greift. Bei vielen dieser Szenen hält dünnstes Wellblech schwerstem Beschuss stand, und Explosionen wirken auf der Leinwand wie mächtige Feuerbälle – Action pur! Doch diese aufregend gestalteten und imposanten Filmsequenzen verzerren den Blick auf die Realität und führen in den Köpfen vieler zu falschen Bildern. So wirkten für manche Zuschauer der Lehrvorführung die „Effekte“ eines realen Waffeneinsatzes nur wenig beeindruckend. Doch auch ohne Hollywood-Explosionen – gerade durch das Beschießen von Stein- und Stahlbetonmauern sowie dem Sprengen von Bäumen konnte allen auf der Schießbahn Anwesenden die verheerende Wirkung der Waffen verdeutlicht werden.

Mehrwert für die Ausbildung 

„Das Wesen des Militärs ist das Training für den Einsatz. Das Beherrschen des Gerätes im scharfen Schuss und das Wissen um dessen Wirkung ist die Königsdisziplin. Dazu brauchen wir Bilder im Kopf, die wir abrufen können“, betonte der Kommandant des Akademikerbataillons, Oberst Gerhard Fleischmann. Um diesem Gedanken zu entsprechen wurde auch der Einsatz unkonventioneller Mittel, wie Improvised Explosive Devices (nicht industrielle, meist von Experten gefertigte Brand- oder Sprengladungen; Anm.) vorgeführt. Diese stellen neben Minen die größte Gefährdung für Soldaten im Auslandseinsatz dar, weshalb schon in der Grundausbildung das Erkennen und das richtige Verhalten bei diesen Kampfmitteln erlernt wird.

Die gelungene Vorführung der Theresianischen Militärakademie lobte auch Verteidigungsminister Starlinger in seiner Rede, in der er die Wichtigkeit solcher Waffendemonstrationen hervorhob. Die Ressortführung entschied bereits, dass ebenfalls im nächsten Jahr eine Lehrvorführung für Kader und Kaderanwärter stattfinden werde.

Hauptmann Mag. (FH) Dr. Karl Testor ist Lehroffizier und Studienbegleiter an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt.

 

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