• Veröffentlichungsdatum : 16.05.2017
  • – Letztes Update : 25.05.2017

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  • 1195 Wörter

Ein Fahrzeug wie eine Schrotflinte

Gerold Keusch

Wer zwischen dem 3. und 5. Juni 2017 das Heeresgeschichtliche Museum in Wien besucht, hat die Möglichkeit Militärfahrzeuge mit Geschichte zu erleben. „Auf Rädern und Ketten“ präsentieren sich motorisierte Veteranen bei der gleichnamigen Veranstaltung. Ein Fixpunkt sind schon seit Jahren die „Husaren“ - geländegängige LKW aus den 1960er Jahren, die so heißen, wie die modernsten Fahrzeuge des Bundesheeres. Truppendienst-Redakteur Gerold Keusch hat hinter die Kulissen geblickt und drei Besitzer dieser LKW besucht.


„Klein, lieb und handlich! Als ich den Husar das erste Mal gesehen habe, wollte ich sofort einen besitzen!“

  Maria Göbel erzählt von ihrer ersten Begegnung mit dem fast vergessenen LKW des Bundesheeres. Dieses fand bei einem Veteranentreffen von historischen Nutzfahrzeugen statt, das sie gemeinsam mit ihrem Mann und den Kindern besuchte. Eines der seltenen Fahrzeuge zu bekommen war jedoch nicht einfach.

„Durch Zufall haben wir den ersten Husar gekauft. Wir haben einen Museumsbesitzer kennengelernt und ihm so nebenbei gesagt, dass wir Interesse an so einem Fahrzeug haben. Womit wir nicht gerechnet hatten war, dass er tatsächlich einen hatte und diesen auch hergeben wollte - da haben wir sofort zugeschlagen. Das Geburtstagsgeschenk für Maria war perfekt“, erklärt Gregor Göbel, wie er und seine Frau zu ihrem ersten „Husar“ kamen. „Als wir den ehemaligen Bundesheer-LKW gekauft haben, hatte ich noch nicht einmal einen LKW-Führerschein - den musste ich erst machen“, ergänzt Maria.

Bei der Familie Göbel blieb es nicht bei nur einem Husar. Der zweite LKW ist ein umgebauter Campingwagen. Dieses Fahrzeug wurde gekauft, nachdem dessen Besitzer verstarb. Der Husar war der Lebensinhalt des Mannes und sollte ursprünglich nach dessen Tod an eine Gärtnerei verkauft werden. „Ein Oldtimer ist aber kein Arbeitsfahrzeug“, so Maria Göbel. „Ich bin froh, dass sich der Sohn von des verstorbenen Vorbesitzers gemeldet hat und das Fahrzeug deshalb bei uns und nicht beim Gärtner gelandet ist.“  Zum Andenken an den Vorbesitzer hat Maria ihren Oldtimer dessen Namen gegeben: Louis.

Zwischen 0 und 5.000,- Euro kostet ein „Husar“ zurzeit - je nach Substanz. Normalerweise muss der LKW total restauriert werden. Das Erneuern von Bremsen und Bremsleitungen, Dichtungen und Schläuchen, technischer Komponenten sowie Spenglerarbeiten stehen dann für den Besitzer auf der Tagesordnung. Die Versorgung mit Ersatzteilen ist eine Herausforderung, da für die Fahrzeuge schon seit Jahrzehnten keine Teile mehr produziert werden. Improvisationsvermögen und technisches Verständnis sind daher eine Voraussetzung, wenn man so einen Oldtimer besitzt.

Für die beiden „Husare“ der Familie Göbel gibt es zwei Ersatzteilspender, die sie durch Zufall erwerben konnten. „Bei einem Oldtimer-Treffen habe wir einen Senior Spediteur kennengelernt, der uns zwei nicht fahrbereite Husare geschenkt hat. Einer steht als relativ kompletter Ersatzteilspender zur Verfügung, der andere wurde komplett ausgeschlachtet“, erzählt Gregor Göbel.

Insgesamt wurden etwa 150 Stück dieses Fahrzeuges in Handarbeit hergestellt. 136 davon waren für das ÖBH bestimmt, etwa zehn Fahrzeuge wurden für zivile Kunden, wie die Feuerwehr, gebaut. Produziert wurde der LKW in Wien, bei der Firma ÖAF (Österreichische Automobil Fabriks-AG; Anm.) in Floridsdorf. „Von 66 Fahrzeugen haben wir Informationen und wissen, was aus ihnen geworden ist. Zwei Fahrzeuge sind in Tschechien und in Polen, einige fahren in Ungarn. Einer befindet sich in Bhutan im Himalaya und einer sogar in Chile. Immer wieder tauchen Fahrzeuge auf, beispielsweise in Inseraten.“

Der Grund warum die Fahrzeuge so weit gereist sind liegt darin, dass etwa zehn Stück von einer österreichischen Firma zu Nutzfahrzeugen für die Forstwirtschaft umgerüstet und exportiert wurden. Um den Verbleib von etwa zehn Husaren hält sich schon seit Jahren ein Gerücht. Sie wurden angeblich während des Krieges in Jugoslawien in den 1990er Jahren als Sanitätsfahrzeuge eingesetzt und später in einem Graben entsorgt.

Die meisten „Husare“ befinden sich im Besitz von Michel Tentschert. Sechs Stück dieser Veteranen und eine Unmenge an Ersatzteilen besitzt der Kfz-Techniker und Milizoffizier. Er kennt jede Schraube und jedes Rädchen des LKW und benutzt diesen auch beruflich. Tentschert ist selbstständig und bietet Motorrad- und Reisebegleitungen in Afrika an. Diese unternimmt er am liebsten mit einem Husar, denn: „Der Husar hat mir das Leben gerettet! Bei einem Überfall in Mali fanden die Banditen mein Auto interessant und wollten es haben. Als ich ihnen erklärte, dass es ein sowjetisches Fabrikat sei, zogen sie ab. Gott sei Dank wussten sie nicht, wie gut dieser LKW tatsächlich ist.“  Detail am Rande: Gerade die Lastwägen aus dem ehemaligen Ostblock sind in Sammlerkreisen aufgrund ihres markigen Aussehens, ihrer Robustheit, aber auch wegen ihrer guten Fahreigenschaften im Gelände und der einfachen Technik beliebt.

Ob Libyen, Mali, Algerien, Senegal oder Albanien - der Husar ist immer dabei, wenn Tentschert auf Tour ist. Der Höhepunkt war die Begleitung der Dreharbeiten zum Film „7915 KM“ von Nikolaus Geyrhalter im Jahr 2007 mit dem Fahrzeug. Dabei stand die Rallye Paris-Dakar im Fokus, und eine Distanz von 7.915 km musste quer durch Afrika bewältigt werden. „Der Husar hat mich noch nie im Stich gelassen! Er ist wie eine Schrotflinte - die geht auch immer, und wenn nicht, dann bekommt man doch irgendwie einen Schuss heraus. Neben dem Haflinger und dem Pinzgauer ist er das geländegängigste Fahrzeug in dieser Größe, welches das Bundesheer je hatte.“  Tentschert hat schon viele Fahrmanöver mit dem LKW durchgeführt, umgekippt ist er damit aber noch nie. „Das Auto hat nur einen Nachteil. Es ist, so wie fast alle Fahrzeuge beim Heer, untermotorisiert. Hätte er einen stärkeren Motor, wäre er der perfekte Gelände-LKW.“

Der „Husar“ war in den 1960er-Jahren als Ersatz für die amerikanischen Dodge-Lastwägen gedacht. Geplant war die Anschaffung von etwa 2.000 Fahrzeugen, was letztlich scheiterte. Es blieb bei 136 Stück, mit denen zwei Bataillone ausgestattet wurden. Im Bundesheer gab es zwei Versionen, einen Pritschenwagen für den Transport einer Gruppe und eine Version mit aufgebauten Funk- und Fernschreibsheltern. Darüber hinaus wurde der LKW auch als „Baufahrzeug“ für Feldkabelbautrupps verwendet. Entwickelt wurde der Husar anhand eines umfassenden Pflichtenheftes von der Herstellerfirma gemeinsam mit dem Amt für Rüstung und Wehrtechnik. Die Militärfahrzeuge haben im Unterschied zu der zivilen Version des LKW eine geteilte Windschutzscheibe und eine Luke im Führerhaus - sonst gibt es keine Unterschiede.

Statt dem „Husar“ wurde der Steyr 680 als Lastwagen bzw. später der „Pinzgauer“ als „Gruppentransporter“ in großen Mengen erworben. Diese Fahrzeuge wurden das Rückgrat der Fahrzeugflotte des ÖBH und prägten das Bild der Armee bis in die 1990er-Jahre. Seit 2015 sind die „Husare“ wieder zurückgekehrt, jedoch im neuen Gewand. Bis auf den Namen und die Anzahl der Fahrzeuge, etwa 150 Stück sollen beschafft werden, gibt es so gut wie keine Gemeinsamkeiten. „Bei den alten Husaren stand die Einfachheit der Bedienung und Materialerhaltung im Vordergrund. Der aktuelle Husar ist ein technisch anspruchsvolles Fahrzeug auf dem modernsten Stand der Technik von Militärfahrzeugen“, erklärt Michel Tentschert die wesentlichen Unterschiede.

„So toll der neue Husar auch ist - der alte hat mehr Flair und Charakter!“ Maria und Gregor Göbel werden ihren alten „Husaren“ treu bleiben, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihres Lebens geworden sind. Gemeinsam mit Michel Tentschert und anderen Bekannten halten sie die Erinnerung an einen fast vergessenen Veteranen des Bundesheeres aufrecht. Bei Veranstaltungen wie jener im Heeresgeschichtlichen Museum bringen sie ihre „Husaren“ einem interessierten Publikum näher. Dabei zeigen sie in Vorführungen die Leistungsfähigkeit des Fahrzeuges und geben gerne Auskünfte zu diesem Fahrzeug und dessen Besonderheiten.

Offiziersstellvertreter Gerold Keusch ist Redakteur beim TRUPPENDIENST.

Auf Rädern und Ketten 2017

TRUPPENDIENST-Artikel zur Einführung des Husar von 1966.

 

Ihre Meinung

Meinungen (1)

  • Kauf Michael // 18.05.2017, 15:11 Uhr Sehr geehrte Redaktion,
    ein interessantes Fahrzeug - und ein gutes Beispiel für österreichische Qualität, die nicht zum Zuge kam. Aber auch dafür, dass es oft besser ist, auf den letzten technischen Schrei zu verzichten und etwas bewusst einfacher, robuster, usw. zu halten. Dafür doch mehr davon zu haben, egal ob Fahrzeuge, Gewehre, oder Soldaten...natürlich sind die Ansprüche heutzutage höher und das ist ok. Ich finde aber, dass nicht nur der 2. Weltkrieg gezeigt hat, dass im Endeffekt die Quantität meistens vor die Qualität geht - und darauf kommt es letztlich an!
    Beste Grüße,
    Michael Kauf, OltdRes