• Veröffentlichungsdatum : 30.10.2019
  • – Letztes Update : 15.11.2019

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Der k.u.k. Militärfriedhof Mostar

Manuel Martinovic

Mostar, die Hauptstadt der Herzegowina, war aufgrund ihrer geografischen Lage von entscheidender Bedeutung für die Verteidigung des ehemaligen k.u.k. Protektorates Bosnien und Herzegowina. Heute zeugt unter anderem der ehemalige k.u.k. Friedhof von der gemeinsamen Militärgeschichte des Balkanstaates und Österreichs.

Zahlreiche Straßen und später auch Eisenbahnlinien kamen in Mostar zusammen und führten von dort weiter zu den Häfen von Metkovic, Dubrovnik oder Zelenika. Diese Verkehrsverbindungen dienten nicht nur zum Transport von Menschen oder Waren, sie waren auch wichtige militärische Routen, die die k.u.k. Festungsabschnitte Trebinje, Kalinovik/Stolac, Mostar und Sarajewo miteinander verbanden. Neben Sarajewo war Mostar während der k.u.k. Herrschaft die wichtigste Militärstadt von Bosnien und Herzegowina.

Militärstadt Mostar

In der Stadt an der Neretva befanden sich vier Kasernen (Nord-, Süd-, Ost- und Westlager) und ab 1912 ein bedeutender Militärflugplatz. Zusätzlich gab es Lagerhallen, Exerzier- oder Schießplätze und ein Militärspital in der Stadt bzw. der Umgebung. Der vermutlich bekannteste in Mostar stationierte Verband war das bosnisch-herzegowinische Infanterieregiment Nr. 4 (BHR4). Daneben befanden sich die folgenden Verbände, Truppenkörper und Stäbe, von denen die meisten ein Teil des 16. k.u.k. Armeekorps waren, in der Stadt:

  • 1. Schwadron/Ulanenregiment 5;
  • I. Bataillon/Infanterieregiment 63;
  • I. Bataillon/Infanterieregiment 102;
  • III. Bataillon und Ersatzkader/Bosnisch-Herzegowinisches Infanterieregiment 4;
  • Festungsartilleriebataillon 2;
  • Gebirgsartillerieregiment 7;
  • Traindivision 16 (Nachschubs- und Versorgungsdivision mit drei Regimentern);
  • Garnisonsspital 26; 
  • Stab der 18. Infanterie-Truppendivision;
  • Stab 1. Gebirgsbrigade;
  • Stab 13. Gebirgsbrigade;
  • Stab des II., III. und IV. Bataillons/Infanterieregiment 22.

Die imposantesten Anlagen in der Region waren die Verteidigungswerke des Festungsgürtels, der sich in den Bergen rund um die Stadt befand – die Festung Mostar. Bereits kurz nachdem die k.u.k.-Soldaten angekommen waren, begannen sie mit dem Bau dieser Anlagen. Die eigentliche Bauzeit, der eine entsprechende strategisch-taktische sowie bautechnische Planung voranging, dauerte von 1888 bis zum Ende der Monarchie 1918. Vor allem zwischen 1886 und 1888 sowie 1914 und 1916 wurden diese Befestigungen aufgrund der damaligen Bedrohungslage zügig ausgebaut. Insgesamt wurden entlang einer Linie von etwa 22 Kilometern 19 Verteidigungsanlagen (6 Werke, zehn Wachhäuser, 3 Schanzen) und eine Vielzahl kleinerer Stellungen bzw. militärischer Einrichtungen (Sperren, Unterstände, Fliegerabwehrabstellungen etc.) erbaut.

Geschichte des Friedhofes

Der k.u.k. Friedhof von Mostar befindet sich im Ortsteil Bisce Polje östlich der Neretva. Die Anlage wurde bereits im Jahr 1878, kurz nachdem die österreichisch-ungarischen Truppen die ehemalige osmanische Provinz besetzt hatten, gegründet. Der Friedhof wurde aber nicht aufgrund der Gefallenen des Feldzuges errichtet. Vielmehr war er als „normale“ Einrichtung der entstehenden österreichischen Garnison in der Hauptstadt der Herzegowina geplant. Im Kataster von Mostar findet man den Friedhof das erste Mal im Jahr 1890. Damals wies er eine Fläche von 5.850 m² auf, später sollte er auf 13.400 m² „heranwachsen“.

1878 bis 1918

Ende des 19. Jahrhunderts, als diese Anlage als „territoriales logistisches Element“ errichtet wurde, war es normal Soldaten dort zu begraben, wo sie starben. Schließlich war ihre Heimat oft mehrere hundert Kilometer und mehrere Tage Eisenbahnfahrt – falls es eine solche Verbindung überhaupt gab – entfernt. Deshalb sind auf diesen Ruhestätten Soldaten aus allen Teilen der ehemaligen Monarchie bestattet. Katholiken, Orthodoxe, Protestanten, Juden und Angehörige der griechisch-orthodoxen Kirche liegen dort nebeneinander. Die meisten von ihnen starben an Krankheiten oder bei Unfällen, da damals die Sterblichkeitsrate deutlich höher, die Lebenserwartung der Menschen – im Vergleich zu heute – jedoch niedriger war. Alleine deshalb war es notwendig einen Garnisons-Friedhof zu errichten.

In Mostar war die letzte Ruhestätte der Toten in der Regel durch Holzkreuze gekennzeichnet, manche Gräber hatten auch einfache Steine aus dem Fluss Neretva, der etwa 200 m westlich des Friedhofes liegt. Vor allem die Offiziere hatten – aufgrund ihrer Stellung und ihres damit verbundenen höheren Einkommens – „richtige“ Grabsteine. Diese kamen nicht nur aus der Region, sondern in einigen Fällen auch aus der fernen Reichshauptstadt Wien. Die Grabsteine bestanden aus verschiedenen Gesteinsarten und hatten deshalb eine schwarze, weiße oder auch rote Farbe. In der Mitte des Friedhofes befand sich ein großes Kreuz wie es für k.u.k. Friedhöfe in dieser Zeit üblich war.

1918 bis 1942 

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges verwaiste der Friedhof zusehends, da die k.u.k. Herrschaft über Bosnien und Herzegowina zu Ende gegangen war. Dennoch wurde dieser Ort auch in der Zwischenkriegszeit genutzt, um dort tote Soldaten zu bestatten. Diese waren Angehörige der Streitkräfte des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen bzw. des Königreiches Jugoslawien, wie der Staat später hieß. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Friedhof ebenfalls genutzt. Bereits im April 1941, wenige Tage nach dem Beginn des Balkanfeldzuges des Dritten Reiches, wurde dort der erste Gefallene beerdigt. Branko Drakulic ist der Name des Piloten, dessen Grabstätte noch heute in einem guten Zustand ist und auf dessen Grabplatte ein Propellerflugzeug zu sehen ist. Dem jungen Piloten folgten zahlreiche Soldaten, die ihr Leben im Krieg verloren und in Mostar ihre letzte Ruhestätte fanden.

Neben jugoslawischen Soldaten sind es vor allem Italiener, die auf dem ehemaligen Militärfriedhof ruhen. Sie waren ein Teil der 154. Infanteriedivision, die 1942 mobilisiert wurde und in Dalmatien und der Herzegowina ein Teil der Besatzungsmacht war. Die Soldaten dieser Division wurden häufig von jugoslawischen Partisanen angegriffen, die in der Region Mostar operierten. Die massiven italienischen Verluste resultierten schließlich im Abzug dieser Division. Für ihre toten Kameraden errichteten die Italiener nicht nur Grabstätten, sondern auch eine Kapelle. Auf dieser befindet sich ein besonderes Kuriosum: Eine Inschrift gibt an, dass die italienischen Soldaten im Jahr 20 (anstatt des Jahres 1942) der italienisch-faschistischen Zeitrechnung (zwanzig Jahre nach der Machtübernahme von Benito Mussolini) fielen.

1942 bis 1952

Nachdem die italienischen Truppen in der Region von Verbänden der Deutschen Wehrmacht abgelöst worden waren, wurde der Friedhof zur letzten Ruhestätte für deutsche Soldaten. Diese fielen vor allem bei Militäraktionen der Partisanen und wurden im Südteil des ehemaligen k.u.k. Friedhofes beigesetzt. Dort befindet sich, so wie in dem Teil für die italienischen Gefallenen, ein Gebäude, das einer Kapelle ähnelt – auf jeden Fall jedoch zur Erinnerung an die toten deutschen Soldaten dort errichtet wurde.

Im Februar 1945 wurde Mostar von den Tito-Partisanen erobert. Damit wurden die Soldaten der nächsten Streitmacht auf dem Friedhof bestattet. Dennoch ging die Zeit seiner Nutzung dem Ende zu. Nach dem Sieg über das Dritte Reich gab der jugoslawische Geheimdienstchef, spätere Innenminister und enge Vertraute Titos, Aleksander Rankovic, den Befehl zur Zerstörung aller Einrichtungen, die an den „Feind“ erinnern würden. Das war der Beginn der beinahe völligen Zerstörung der Gräber und Gebäude des Friedhofes. Auch wenn die Grabstätten aus der Zeit der Monarchie nicht das Ziel der Attacken waren, wurden die meisten davon als Kollateralschaden zerstört. Trotzdem wurde der Ort bis 1952 weiterhin als Grabstätte genutzt. In diesem Jahr wurde dort der letzte Soldat, ein Angehöriger der Jugoslawischen Volksarmee, beerdigt.

Die Toten am Friedhof

Auf dem ehemaligen k.u.k. Friedhof in Mostar ruhen Soldaten der

  • k.u.k. Armee und somit Angehörige de facto aller Volksgruppen des Habsburgerreiches (1878 bis 1918),
  • jugoslawischen Streitkräfte der Zwischenkriegszeit (1918 bis 1941),
  • italienischen Streitkräfte aus der faschistischen Epoche (1941 bis 1943),
  • Deutschen Wehrmacht (1943 bis 1945),
  • Tito-Partisanen (1945) und der
  • Jugoslawischen Volksarmee (1945 bis 1952).

Aber nicht nur Soldaten fanden an diesem Ort ihre letzte Ruhestätte. Auch Polizisten, Beamte, Doktoren, Techniker und Zivilisten sowie deren Frauen und/oder Kinder sind dort begraben. Diese Toten weisen die Gemeinsamkeit auf, dass sie aufgrund einer offiziellen Aufgabe als Teil der k.u.k. Verwaltung in der Region waren. Die berühmteste dieser Personen ist der Arzt Anton Fojarewitz (1853 bis 1901). Er ist in Mostar als Wohltäter bekannt, der die Armen kostenlos behandelte, mit Medizin versorgte und mit Geld unterstützte. Sein Grab ist eines der wenigen, das sich noch heute in einem guten Zustand befindet. Fojarewitz ist einer von insgesamt etwa 1.330 Soldaten und Angehörigen aus der Zeit der Habsburgerherrschaft in der Region sowie von 59 Soldaten, die nach 1918 dort begraben wurden.

Der aktuelle Zustand des Friedhofes

Im Laufe der Jahre – mittlerweile sind es über hundert Jahre, dass der Erste Weltkrieg zu Ende ging – ist der Friedhof mehr und mehr verfallen. Die Holzkreuze verwitterten bereits nach wenigen Jahren, die Grabsteine senkten sich, ihre Inschriften verblassten und die gezielte Zerstörung der meisten Gräber und Bauwerke aufgrund des Rankovic-Befehles hinterließ ein Trümmerfeld. Nach der letzten Beerdigung 1952 verfiel der Friedhof, um den sich niemand kümmerte, endgültig. Besonders während des Bosnienkrieges (1992 bis 1995) kam es zu weiteren Vandalenakten, bei denen auch Grabsteine oder der Zaun entfernt wurden.

Doch obwohl dieser Erinnerungsort in einem schlechten Zustand ist, lässt sich ein Teil der Geschichte, der dort Bestatteten von ihren Grabsteinen ableiten. Inschriften wie „gewidmet von seinen Kameraden“, „K.K. Leutnant im 8. Feldjäger Baon“, „Hier ruht Inft. Michael Holzer des k.u.k. Infanterieregimentes“, „Hier ruht Herr k.u.k. Oberstabsarzt Dr. Leo Polutrak“, „Franz Kerdus k.k. Zugsführer des 4/8 Fest. Art. Korps“, oder „Hier ruht Julius Stockl, k.u.k. Oberkanonier“  zeugen vor allem von der Habsburgerzeit. Daneben gibt es einige Steine mit kyrillischen Inschriften.

Reinigung durch EUFOR-Soldaten

Auf Initiative des Kommandanten des multinationalen Bataillons, Oberstleutnant Alfred Sanz, wurde der verwilderte und verwahrloste Friedhof im Juli und August 2019 von österreichischen Soldaten dieses Bataillons gereinigt. Insgesamt waren etwa 70 EUFOR-Soldaten an den Arbeiten beteiligt, die diese in ihrer Freizeit ehrenamtlich ausführten und dabei vom Schwarzen Kreuz und privaten Spendern unterstützt wurden. Dabei entfernten sie wilde Sträucher, Hecken und Pflanzen, stellten umgefallene Grabsteine auf oder entfernten den Müll, der sich in den vergangenen Jahren dort angesammelt hatte. Die Tätigkeit der EUFOR-Soldaten wurde beim Besuch einer Abordnung des Schwarzen Kreuzes geehrt, bei dem sie Urkunden und Auszeichnungen als sichtbarer Ausdruck der Wertschätzung erhielten.

Mit ihrem Engagement erwiesen die heute in Bosnien und Herzegowina stationierten österreichischen Soldaten ihren „Kameraden“ aus vergangenen Epochen und verschiedenen Armeen eine besondere Ehrenbezeugung. Sie bewiesen damit, dass die Toten von damals – auch wenn ihre Namen und konkreten Schicksale mittlerweile wohl niemand mehr kennt – noch nicht vergessen sind. Und sie zeigen, dass es nicht nur ein Band zwischen den Gefallenen unterschiedlicher Nationen gibt, die heute oft an den gleichen Orten nebeneinander ruhen, sondern auch zwischen den Soldaten, die im Krieg fielen und jenen, die in Zeiten relativen Friedens ihrem Land dienen.

Manuel Martinovic ist Jurist, Historiker und Forscher aus Mostar.

Link: Spuren der Militär-Luftfahrt in Mostar

 

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