• Veröffentlichungsdatum : 22.07.2020
  • – Letztes Update : 21.12.2020

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75 Jahre Vereinte Nationen

Theresa Schobesberger

Die Vereinten Nationen bzw. die United Nations Organization – kurz UNO – feiert in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1945 haben die Vereinten Nationen eine hohe internationale Anerkennung erreicht. Zahlreiche Erfolge, aber auch Misserfolge zeichneten die UNO in den vergangenen 75 Jahren aus. Nach zwei Weltkriegen sollten die Vereinten Nationen den Grundstein für eine friedlichere, menschlichere Welt bilden und doch gab und gibt es weiterhin Kriege. Besonders heute stehen die Ideale der UNO mit der größten Gesundheitskrise seit ihrer Gründung und der drohenden Wirtschafts- und Sozialkrise vor einer Zerreißprobe.

Als „Vorgänger“-Organisation der UNO gilt der Völkerbund, der 1920 als Ergebnis der Pariser Friedenskonferenz nach dem Ersten Weltkrieg gegründet wurde. Das erklärte Ziel des Völkerbundes war der Erhalt des Friedens durch eine schiedsgerichtliche Beilegung von Konflikten sowie die internationale Abrüstung. Die Gründungsmitglieder waren die 32 alliierten Siegermächte des Ersten Weltkrieges. Zahlreiche weitere Staaten wurden eingeladen, traten bei oder aus oder blieben der Organisation allgemein fern. Diese „Fluktuation“ von Staaten war eines der Hauptprobleme des Völkerbundes, da zu keiner Zeit alle Großmächte Mitglied waren. Die USA gehörten ihm generell nie an, das Deutsche Reich, Italien, die Sowjetunion und Japan nur begrenzte Zeit. Aufgrund des im Vordergrund stehenden Eigeninteresses der Staaten konnte der Bund sein oberstes Ziel, die internationale Friedenserhaltung, nicht durchsetzen. Konsequenterweise wurde er nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, am 18. April 1946, einstimmig aufgelöst. Somit sind die Vereinten Nationen nicht die Nachfolgeorganisation des Völkerbundes, da beide Organisationen zwischen 1945 und 1946 gleichzeitig bestanden.

Nach den wenig erfolgreichen Erfahrungen mit dem Völkerbund und den schrecklichen Verbrechen während des Zweiten Weltkrieges galt es einen neuen Weg zu finden, um den internationalen Frieden zu gewährleisten. Nachdem seit 1941 zahlreiche Gespräche zwischen verschiedenen Staaten geführt wurden, die den Weg zu einer neuen internationalen Organisation zur Friedenssicherung ebneten, wurde bei der Konferenz von Jalta im Februar 1945 die Gründung der UNO offiziell beschlossen. Auf der Konferenz von San Francisco (April bis Juni 1945) unterzeichneten die Vertreter von 50 Staaten die Charta der Vereinten Nationen (bzw. die Satzung der Vereinten Nationen), die mit der Ratifizierung des 51. Staates (Polen) am 24. Oktober 1945 in Kraft trat.

Laut dieser Satzung hat die UNO vier Ziele:

  1. Den Weltfrieden und die internationale Sicherheit wahren;
  2.  Freundschaftliche, gleichberechtigte und selbstbestimme Beziehungen zwischen den Nationen entwickeln und so Konflikte bereinigen;
  3. Internationale Zusammenarbeit im wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und humanitären Bereich und Förderung der Menschenrechte;
  4. Ein Zentrum zu sein, für die Verhandlung und Verwirklichung dieser Ziele.

Bereits im Jahr 1946 wurden der UN-Wirtschafts- und Sozialrat, die UN-Menschenrechtskommission, der Sicherheitsrat und der Internationale Gerichtshof konstituiert. Bald darauf folgte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF). Aktuell zählen die Vereinten Nationen 193 Mitgliedstaaten und somit fast alle Länder der Welt. Grundvoraussetzung für eine Mitgliedschaft ist die allgemeine Anerkennung eines Staates durch alle anderen Staaten. Einzig Vatikan-Staat erfüllt diese Auflage und ist trotzdem kein Mitglied der UNO.

Präambel der Charta

„Wir, die Völker der Vereinten Nationen – fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat, unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit, an die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie von allen Nationen, ob groß oder klein, erneut zu bekräftigen, Bedingungen zu schaffen, unter denen Gerechtigkeit und die Achtung vor den Verpflichtungen aus Verträgen und anderen Quellen des Völkerrechts gewahrt werden können, den sozialen Fortschritt und einen besseren Lebensstandard in größerer Freiheit zu fördern,

UND FÜR DIESE ZWECKE

Duldsamkeit zu üben und als gute Nachbarn in Frieden miteinander zu leben, unsere Kräfte zu vereinen, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren, Grundsätze anzunehmen und Verfahren einzuführen, die gewährleisten, daß Waffengewalt nur noch im gemeinsamen Interesse angewendet wird, und internationale Einrichtungen in Anspruch zu nehmen, um den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt aller Völker zu fördern

HABEN BESCHLOSSEN, IN UNSEREM BEMÜHEN UM DIE ERREICHUNG DIESER ZIELE ZUSAMMENZUWIRKEN.

Dementsprechend haben unsere Regierungen durch ihre in der Stadt San Francisco versammelten Vertreter, deren Vollmachten vorgelegt und in guter und gehöriger Form befunden wurden, diese Charta der Vereinten Nationen angenommen und errichten hiermit eine internationale Organisation, die den Namen 'Vereinte Nationen' führen soll.“

 

Die UNO in Österreich

Österreich wurde im Dezember 1955 ein Mitglied der UNO. Zeitgleich traten Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Finnland, Italien, Irland, Portugal und Spanien der Organisation bei. Nach Einladung des Bundeskanzlers Julius Raab (ÖVP) fanden 1957 die Internationale Atomenergie Organisation (IAEO) und 1967 die Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO) ihren Sitz in Wien. Ebenfalls im Jahr 1967 bot die Regierung Österreichs den Vereinten Nationen ein Internationales Zentrum als Amtssitz in Wien an. Dieses wurde zwischen 1973 und 1979 in Wien nach den Plänen des österreichischen Architekten Johann Staber im 22. Bezirk errichtet und ist heute als „UNO-City“ bekannt. Die Liegenschaft wird seither für einen symbolischen Betrag von 7 Cent (1 Schilling) für eine Dauer von 99 Jahren an die Vereinten Nationen vermietet.

Österreich stellte in der Vergangenheit bereits einen UNO-Generalsekretär: 1972 wurde der Diplomat und Politiker Kurt Waldheim zum Nachfolger des damals amtierenden UN-Generalsekretär Sithu U Thant gewählt. Waldheim übte dieses Amt zwei fünfjährige Amtsperioden lang aus. Während seiner Amtszeit sprach er sich unter anderem gegen die Bombardierung von Nordvietnam durch die USA aus, verurteilte die militärische Aggression Israels gegen den Libanon und führte zahlreiche Gespräche zur Vermittlung rund um die Zypernfrage. Seine Bewerbung um eine dritte Amtszeit wurde 1981 durch ein Veto der Volksrepublik China verhindert. Waldheim kam einige Jahre später unter heftige Kritik, nachdem er in seiner Biografie die Tätigkeiten als Offizier der Wehrmacht zwischen 1942 und 1944 unerwähnt ließ und daraufhin nationale sowie internationale Medien Nachforschungen anstellten. Die „Waldheim-Affäre“ hatte starke negative außenpolitische Auswirkungen für Österreich. Dennoch gewann er 1986 die Bundespräsidenten-Wahl und bekleidete dieses Amt bis 1992.

Bisherige Generalsekretäre

Organisation

Der Aufbau der Vereinten Nationen ist umfassend und steht nicht selten in der Kritik, zu bürokratisch zu sein, wodurch wichtige Entscheidungsprozesse nicht schnell genug erledigt werden können. Die Hauptorgane sind:

  • Generalversammlung: das politische Hauptorgan, in dem alle 193 Mitgliedsstaaten mit gleichen Rechten vertreten sind und der Dreh- und Angelpunkt sämtlicher Aktivitäten der UNO;
  • Sicherheitsrat: beschäftigt sich mit der Wahrung des Weltfriedens und ist das einzige Organ, das Beschlüsse mit völkerrechtlich bindender Wirkung fassen kann;
  • Sekretariat mit dem aktuellen Generalsekretär Antonio Guterres;
  • Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC): zentral koordinierendes Organ der Vereinten Nationen und Bindeglied zwischen der Generalversammlung und den Entwicklungstätigkeiten der nachstehenden Institutionen;
  • Internationaler Gerichtshof: das Hauptrechtsprechungsorgan mit 15 unabhängigen Richtern, die alle neun Jahre gewählt werden;
  • Treuhandrat: ursprünglich war dieser für die Verwaltung der ihm unterstellten Kolonialgebiete zuständig und sollte diesen zur Unabhängigkeit verhelfen. Nachdem das letzte Treuhandabkommen beendet wurde, hat der Treuhandrat seine Arbeit in der Praxis beendet.

Den Hauptorganen sind 17 Sonderorganisationen (WHO, UNIDO, UNESCO etc.) unterstellt, die zahlreiche Nebenorgane haben. Im Bereich der Sicherheit zählen beispielsweise die Friedensmissionen zu den Nebenorganen, im humanitären Bereich der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) oder das Programm der Vereinten Nationen für menschliche Siedlungen (HABITAT).

Missionen

Peacekeeping-Missionen bzw. Friedensmissionen dienen der Wahrung und Wiederherstellung des Friedens und werden durch den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen beschlossen. Sie sind per Definition friedliche Interventionen einer Dritten Partei (hier der UNO) zum Zweck der Konfliktvorbeugung, -vermeidung oder -regelung. Grundlegende Voraussetzung ist die Unparteilichkeit der intervenierenden Partei und die Zustimmung aller am Konflikt Beteiligten. Der Sicherheitsrat kann die UN selbst, aber auch Regionalorganisationen wie die NATO oder die EU für diesen Zweck beauftragen. Neben den Peacekeeping-Missionen gibt es besondere politische Missionen. Diese haben keine militärische Komponente und arbeiten ausschließlich mit zivilen Formen der Konfliktbearbeitung.

1948 startete die erste Beobachtermission und im gleichen Jahr wurde die erste Entsendung einer Friedenstruppe beschlossen. Mit der Friedensmission UNTSO (United Nations Truce Supervision Organization) wurden Soldaten zur Beobachtung des Waffenstillstandes zwischen Palästina und Israel, mit der Beobachtermission UNMOGIP (United Nations Military Observer Group in India and Pakistan) 1949 Personal zur Beobachtung der Beilegung des Kaschmir-Konfliktes zwischen Indien und Pakistan entsandt. Beide Missionen dauern weiterhin an. Die Bedeutung der Peacekeeping-Einsätze ist stetig angewachsen und hat sich zu einem wichtigen Instrument der internationalen Friedenssicherung entwickelt. Heute umfassen diese Missionen neben militärischen Komponenten auch zivile, von der Sicherheitswahrung bis hin zur Übernahme von Regierungsaufgaben. Darüber hinaus ist die Kooperation mit regionalen Organisationen heute ein wichtiger Faktor von UN-Missionen.

Aktuell laufen 14 UN-Peacekeeping-Missionen, acht in Afrika, drei im mittleren Osten, zwei in Europa und eine in Asien. Zusätzlich finden 26 besondere politische Missionen statt. Das Österreichische Bundesheer beteiligt sich an zahlreichen Peacekeeping-Missionen und feierte in diesem Jahr bereits „60 Jahre Internationale Einsätze“. Österreich ist an sechs Missionen beteiligt und eines der Länder, das – gemessen an der Einwohnerzahl – das größte Kontingent für UN-Missionen zur Verfügung stellt. Etwa 90.000 Österreicherinnen und Österreicher haben bisher bei mehr als 50 UN-Missionen mitgewirkt – im militärischen sowie im zivilen Bereich. Die Missionen, an denen Österreich momentan beteiligt ist, sind:

  • Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA);
  • Mission der Vereinten Nationen für das Referendum in Westsahara (MINURSO);
  • Friedenstruppe der Vereinten Nationen in Zypern (UNIFCYP);
  • Interimsverwaltungsmission der Vereinten Nationen im Kosovo (UNMIK);
  • Interimstruppe der Vereinten Nationen im Libanon (UNIFIL);
  • Organisation der Vereinten Nationen zur Überwachung des Waffenstillstands im Nahen Osten (UNTSO).

Meilensteine des österreichischen Engagements war die erste UN-Mission Österreichs im Kongo oder die Beteiligung an UNDOF, dem Truppenkontingent der Vereinten Nationen für die Truppenentflechtung. An letzterem war das Österreichische Bundesheer von 1974 bis 2013 beteiligt und stellte in dieser Zeit fünfmal den Force Commander.

Herausforderungen

Aktuell stehen die Vereinten Nationen vor einer Reihe von Herausforderungen. Nicht nur die größte globale Gesundheitskrise (Corona) seit Bestehen der UNO und die damit einhergehende Wirtschafts- und Sozialkrise belasten die internationalen Beziehungen. Auch die wachsenden Spannungen zwischen den USA, China und Russland deuten auf eine ungewisse und möglicherweise instabile Zukunft hin.

Besonders die aktuelle US-Regierung übt regelmäßig Kritik an den Vereinten Nationen und sogar der Austritt aus der Organisation steht immer wieder zur Debatte. Der aktuelle Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, bezieht ebenfalls klar Stellung zur UNO: Er kündigte das globale Klimaabkommen auf, lehnt eine Mitarbeit am UN-Migrationspakt ab, trat aus der UNESCO und dem UN-Menschenrechtsrat aus und stellte während der COVID-19-Pandemie alle Zahlungen an die WHO ein (14 Prozent des WHO-Budgets). Darüber hinaus steht die Zusammensetzung des Sicherheitsrates in der Kritik, da diese die aktuellen globalen Machtverhältnisse nur unzureichend widerspiegelt. Beispielsweise ist Indien kein Mitglied.

Klar ist jedoch, dass eine Internationale Organisation wie die UNO nur dann funktionieren kann, wenn auch international kooperiert wird und Länder bereit sind miteinander ins Gespräch zu treten, Kompromisse einzugehen und sich an Vereinbarungen zu halten. Die UNO basiert darauf, dass alle Nationen „Duldsamkeit üben und als gute Nachbarn in Frieden miteinander leben“. Um diesem Grundsatz gerecht zu werden gilt es unter anderem die ständige Finanzschwäche zu überwinden oder die Bürokratie zu verschlanken. Gerade in einer globalisierten Welt ist eine Institution wie die UNO unabdingbar, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – Klimawandel, Ressourcenschwund, Armut, Flucht, Krieg und viele andere mehr – begegnen zu können.

Theresa Schobesberger, BA ist Redakteurin beim TRUPPENDIENST

 

Website der Vereinten Nationen (englisch)

Website der Vereinten Nationen in Wien

 

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